Discussion:
Choge und cheibe
(zu alt für eine Antwort)
Bernhard Lehmann
2009-12-05 13:25:03 UTC
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Da sitze ich heute also mit einem Grosskantoner bei einem vergnügten
Apéro und wir kommen auf die vertiefteren Feinheiten unserer Dialekte zu
sprechen. Bei "choge" und "cheibe" bleiben wir hängen, beide Begriffe
sowohl als Adjektiv wie als Substantiv im Umlauf. Die tiefere Bedeutung
von "choge" zu erklären, merk ich bald einmal, ist cheibe schwierig.
Gibt es im Dunstkreis Semantiker, die dazu Erhellung bringen können?

(Sorry, wenn ich in diesen schweren Zeiten ein unpolitisches Thema
aufgreife.)
Stefan Werner
2009-12-05 15:35:11 UTC
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Post by Bernhard Lehmann
Da sitze ich heute also mit einem Grosskantoner bei einem vergnügten
Apéro und wir kommen auf die vertiefteren Feinheiten unserer Dialekte zu
sprechen. Bei "choge" und "cheibe" bleiben wir hängen, beide Begriffe
sowohl als Adjektiv wie als Substantiv im Umlauf. Die tiefere Bedeutung
von "choge" zu erklären, merk ich bald einmal, ist cheibe schwierig.
Gibt es im Dunstkreis Semantiker, die dazu Erhellung bringen können?
Mein Duden weiss zu Cheib, dass es mit dem Schwäbischen "Keib"
zusammenhänge. Ist also im Grossen Kanton offenbar stellenweise auch
bekannt. Zur Herkunft äussert sich der Duden allerdings nicht.

-stef
Patrick Kormann
2009-12-05 22:15:07 UTC
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Post by Stefan Werner
Mein Duden weiss zu Cheib, dass es mit dem Schwäbischen "Keib"
zusammenhänge. Ist also im Grossen Kanton offenbar stellenweise auch
bekannt. Zur Herkunft äussert sich der Duden allerdings nicht.
Ein Lehrer hat uns mal gesagt ein 'Cheib' sei ursprünglich ein Kadaver.
Joerg Lorenz
2009-12-06 17:30:04 UTC
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Post by Stefan Werner
Post by Bernhard Lehmann
Da sitze ich heute also mit einem Grosskantoner bei einem vergnügten
Apéro und wir kommen auf die vertiefteren Feinheiten unserer Dialekte zu
sprechen. Bei "choge" und "cheibe" bleiben wir hängen, beide Begriffe
sowohl als Adjektiv wie als Substantiv im Umlauf. Die tiefere Bedeutung
von "choge" zu erklären, merk ich bald einmal, ist cheibe schwierig.
Gibt es im Dunstkreis Semantiker, die dazu Erhellung bringen können?
Mein Duden weiss zu Cheib, dass es mit dem Schwäbischen "Keib"
zusammenhänge. Ist also im Grossen Kanton offenbar stellenweise auch
bekannt. Zur Herkunft äussert sich der Duden allerdings nicht.
Dürfte m.E. ein alemannischer Ausdruck sein. Er ist in fast allen
alemannischen Dialekten (von Süddeutschland bis ins Mittelland)
gebräuchlich. Achtung: Das ist eine Vermutung und keineswegs gesichert.

Versucht's doch mal auf dem alemannischen Wikipedia.
Post by Stefan Werner
-stef
Jörg
--
http://www.albasani.net/index.html.de
Ein freier und kostenloser Server für Usenet/NetNews (NNTP)
Jean P. Bruegger
2009-12-05 16:35:08 UTC
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Bernhard Lehmann says...
Post by Bernhard Lehmann
Da sitze ich heute also mit einem Grosskantoner bei einem vergnügten
Apéro und wir kommen auf die vertiefteren Feinheiten unserer Dialekte zu
sprechen. Bei "choge" und "cheibe" bleiben wir hängen, beide Begriffe
sowohl als Adjektiv wie als Substantiv im Umlauf. Die tiefere Bedeutung
von "choge" zu erklären, merk ich bald einmal, ist cheibe schwierig.
Gibt es im Dunstkreis Semantiker, die dazu Erhellung bringen können?
(Sorry, wenn ich in diesen schweren Zeiten ein unpolitisches Thema
aufgreife.)
"Wer denkt schon bei der Verwendung von choge guet oder cheibe schöön,

dass im ersten Teil des Wortes alte Bezeichnungen für Tierkadaver

(Cheib, Chog) stecken."



Rüüdig guet! ;-)



http://www.nzz.ch/nachrichten/wissenschaft/von_aerdoepfel_bis_zueckerli_1.802899.html?printview=true
--
J. P. B.

There are more instances of the abridgment of the freedom of the people

by gradual and silent encroachments of those in power than by violent

and sudden usurpation. -- James Madison
Stefan Heimers
2009-12-05 16:35:09 UTC
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Ein "Cheib" ist so viel ich weiss ein totes Nutztier. Also etwas, das
den Bauern viel Geld und Arbeit gekostet hat und ihm dann nichts mehr
bringt, also einen Verlust verursacht. Als Schimpfwort würde man dann
also einen Nichtsnutz als "Cheib" bezeichnen.
Marc Heusser
2009-12-05 23:55:03 UTC
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Post by Bernhard Lehmann
Bei "choge" und "cheibe" bleiben wir hängen, beide Begriffe
sowohl als Adjektiv wie als Substantiv im Umlauf.
Und als Verben.

aus Heinz Gallmann, Zürichdeutsches Wörterbuch, 2009, NZZ Verlag, ISBN
978-3-03823-555-2

Chäib m. (Chäibe, Chäibli) 1. urspr. Kadaver, Aas. 2. heute: Scheltwort,
Fluchwort, abgeschwächt sogar als Kosewort benutzt: En aarme, bööse,
fräche, fuule, gfèèlte, liebe, schlächte, tume Chaäib. Es gschiids,
tifigs Chäibli (als Lob)! Alls Chäibs alles Mögliche und Unmögliche. Das
isch en Chäib eine verzwickte Sache. Er tuet kein Chäib tut nichts. Er
hät en Chäib Rausch. Da isch öppis Chäibs loos da ist etwas im Tun
(ugs.) Was Chäbs machsch du daa was zum Tufel treibst du da? Heb dè
Chäib, nöd das dè Chäib obenabe chäibet ud alls Chäibs zämechäibet! Im
Chräis Chäib Stadtkreise 3-5 in Zürich

chäibe ugs. (gchäibet) 1. fluchen, schelten: Dè hät äis gchäibet, wo mer
ooni Gält häi choo sind! 2. laut sein: Si chüblet und chäibet i der
Chuchi (laute Betriebsamkeit). 3. sausen u.Ä. (anstelle von anderen
Bewegungsverben): Er hät müese uf de Zuug chäibe rennen. Er isch ab de
Läitere gchäibet heruntergefallen.
-> abechäibe, devoochäibe, durechäibe, erchäibe, furtchäibe, inechäibe,
uechäibe, usechäibe, uuschäibe

chäibe, chäibemässig (ugs.) verst. sehr, ausserordentlich: Die chäibe
Chatz, Hünd vermaledeit. En chäibe Glünngi gemeiner Kerl. Chäibe Lappi
grosser Dummkopf! Tuums chäibe Züüg! Es schööns chäibe Mäitli schlau,
durchtrieben. E chäibe schööns Chind sehr schön! Chäibemèèssig tüüf,
chäibemèèssig höfli sehr.

Chog m. (Chöge, Chögli) 1. urspr. abgemagertes, verendetes Tier,
Kadaver. 2. Scheltwort milder als Chäib: En fuule, tumme Chog. Nim di in
acht vor dem Chog dem gerissenen Kerl! Das sind wüeschti Chöge
unanständige hässliche Kerle. En Söichog Schweinekerl. Das isch en Chog
von ere Rächnig eine schwierige Rechnung. Er tuet kän Chog tut nichts.
Er hät alls Chogs probiert alles Erdenkliche. Du verbränte Chog ei
verflucht! Dim.: raffiniertes schlaues Kind: Es chäibe Chögli.

choge (gchoget) 1. eilen, eilig gehen, rennen: Chog doch nüd esoo! 2.
sich abschinden: Da mueme choge vo früe bis spaat.

choge, chogemèèssig verst. anerkennend oder abwertend: sehr, toll,
verflixt: En choge Wääg steiler mühsamer Weg. Dè choge Lappi dieser
Dummkopf! Es choge Züüg eine dumme Sache! Choge schwèèr sehr schwer. Es
choge Mäitli anmutig, übermütig.

Hoffe, das hilft.

Marc
--
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<http://www.heusser.com>
Bernhard Lehmann
2009-12-06 12:45:03 UTC
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Post by Marc Heusser
Chäib m. (Chäibe, Chäibli) 1. urspr. Kadaver, Aas. 2. heute: Scheltwort,
Das isch choge interessant und herzlichen Dank.
Ihr seid cheibe liebi Sieche, dass ihr euch mit meiner Frage solche Mühe
gemacht habt.

(Ist unsere Sprache nicht ein einzig Juwel?!)
1X2Willows
2009-12-06 17:10:04 UTC
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[....]
(Ist unsere Sprache nicht ein einzig Juwel?!)
aber ganz sicher ist sie das und wer anderer Meinung ist,
dem gaahn'i denn öppe go de Gibel chriese!
Nala Rubischon
2009-12-06 17:25:03 UTC
Permalink
Sali Dan
[....]
(Ist unsere Sprache nicht ein einzig Juwel?!)
aber ganz sicher ist sie das und wer anderer Meinung ist, dem gaahn'i
denn =F6ppe go de Gibel chriese!
Immerno besser als wenn em in Gibel chiise w=FCrsch *gg*

Gruess Nala

--=20
"Ich weiss nicht, was genau von mir zu sagen erwartet wird, damit du
Verkehr mit mir hast, aber k=F6nnten wir davon ausgehen, dass ich das
alles gesagt habe? Ich mein im Wesentlichen sprechen wir von
Fl=FCssigkeitsaustausch. K=F6nnten wir nicht einfach direkt zum Sex
=FCbergehen?"=09=09John Nash in A beautiful mind
Bernhard Lehmann
2009-12-06 19:25:08 UTC
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Post by 1X2Willows
aber ganz sicher ist sie das und wer anderer Meinung ist,
dem gaahn'i denn öppe go de Gibel chriese!
Weischtu überhaupt, was ein "Gibel" ischt?
En Gibel isch, so meine ich, ein Schlitten, aber einer, wo grösser ist
als der Davoser und wo der Chrischten von der Kleinen Scheidegg hinunter
gegen Wengen Arsch und Genick riskiert und sich an den beiden grossen
Hörnern festklammert und wo er von Allmen hingedrii mögget: "Das dä so
terff!!"

(Ob chriese oder chisse - keine Ahnung, was das, wie nachfolgend in
Frage gestellt, dann auch bedeutet)
1X2Willows
2009-12-06 21:20:04 UTC
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Post by Bernhard Lehmann
Post by 1X2Willows
aber ganz sicher ist sie das und wer anderer Meinung ist,
dem gaahn'i denn öppe go de Gibel chriese!
Weischtu überhaupt, was ein "Gibel" ischt?
En Gibel isch, so meine ich, ein Schlitten, aber einer, wo grösser ist
als der Davoser und wo der Chrischten von der Kleinen Scheidegg
hinunter gegen Wengen Arsch und Genick riskiert und sich an den
beiden grossen Hörnern festklammert und wo er von Allmen hingedrii
mögget: "Das dä so terff!!"
(Ob chriese oder chisse - keine Ahnung, was das, wie nachfolgend in
Frage gestellt, dann auch bedeutet)
Weisch waas? Ez heschmer aber ä riise Gfallä tue!

Den Ausdruck hab ich ueber meine Mutter vom Grosbappe der leider viel zu
frueh (in meinem Leben) verstorben ist. Die Mutter wusste aber auch nicht
woher er kommt; nur dass er es haeufig benutzt hat. Ich bin bis jetzt immer
von "Giebel" unterm Hausdach ausgegangen und von Chriesi/Kirschen als
eine verbale Form.

Jetzt kommst Du aber mit dem Schlitten und "chriese" koennte ebensogut
von "Chriis" wie Tannächriis kommen; also ganze Zweige mit Nadeln dran.
Zumal bekannt ist, dass dies ein traditionelle "Uusgschlipfbremse" fuer
allerlei verschneite und vereiste Flaechen war, gibt der Spruch ploetzlich
allen Sinn! Eingedeutscht also etwa "Ich werde dafuer sorgen dass dein
Schlitten nicht mehr vom Fleck weg kommt!"

Tank eichisch vüumou!!!
Dan
Marc Heusser
2009-12-06 22:35:04 UTC
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Post by 1X2Willows
Post by Bernhard Lehmann
Post by 1X2Willows
aber ganz sicher ist sie das und wer anderer Meinung ist,
dem gaahn'i denn öppe go de Gibel chriese!
Weischtu überhaupt, was ein "Gibel" ischt?
En Gibel isch, so meine ich, ein Schlitten, aber einer, wo grösser ist
als der Davoser und wo der Chrischten von der Kleinen Scheidegg
hinunter gegen Wengen Arsch und Genick riskiert und sich an den
beiden grossen Hörnern festklammert und wo er von Allmen hingedrii
mögget: "Das dä so terff!!"
(Ob chriese oder chisse - keine Ahnung, was das, wie nachfolgend in
Frage gestellt, dann auch bedeutet)
Weisch waas? Ez heschmer aber ä riise Gfallä tue!
Den Ausdruck hab ich ueber meine Mutter vom Grosbappe der leider viel zu
frueh (in meinem Leben) verstorben ist. Die Mutter wusste aber auch nicht
woher er kommt; nur dass er es haeufig benutzt hat. Ich bin bis jetzt immer
von "Giebel" unterm Hausdach ausgegangen und von Chriesi/Kirschen als
eine verbale Form.
Jetzt kommst Du aber mit dem Schlitten und "chriese" koennte ebensogut
von "Chriis" wie Tannächriis kommen; also ganze Zweige mit Nadeln dran.
Zumal bekannt ist, dass dies ein traditionelle "Uusgschlipfbremse" fuer
allerlei verschneite und vereiste Flaechen war, gibt der Spruch ploetzlich
allen Sinn! Eingedeutscht also etwa "Ich werde dafuer sorgen dass dein
Schlitten nicht mehr vom Fleck weg kommt!"
Nochmals aus dem bereits erwähnten Zürichdeutschen Wörterbuch von Heinz
Gallmann (700 Seiten ...):

Gibel m. 1. Giebel; meist dreieckiger oberer Teil der Wand an der
Frontseite des Hauses. 2. Giebel; meist dreieckiger Aufsatz über
Fenstern und Portalen. 3. Dachfirst. 4. Kopf (salopp) Er hät äis uf de
Giebel überchoo. Äim de Giebel chriese den Kopf zurechtsetzen
Die beiden Bedeutungen gehen auf die lautlich vergleichbaren Wurzeln
ahd. gibil m. <Giebel> und ahd. gibilla f. <Kopf>. Die Zusammenhänge
sind nicht ausreichend geklärt.

Marc
--
remove bye and from mercial to get valid e-mail
<http://www.heusser.com>
1X2Willows
2009-12-08 00:45:08 UTC
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Post by Marc Heusser
Gibel m. 1. Giebel; meist dreieckiger oberer Teil der Wand an der
Frontseite des Hauses. 2. Giebel; meist dreieckiger Aufsatz über
Fenstern und Portalen. 3. Dachfirst. 4. Kopf (salopp) Er hät äis uf de
Giebel überchoo. Äim de Giebel chriese den Kopf zurechtsetzen
Die beiden Bedeutungen gehen auf die lautlich vergleichbaren Wurzeln
ahd. gibil m. <Giebel> und ahd. gibilla f. <Kopf>. Die Zusammenhänge
sind nicht ausreichend geklärt.
Mischt! Ez bini wider deet woni aagfange ha.

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